Merry Becker En Concert
Meret Becker & The Tiny Teeth – Le Grand Ordinaire
Meret Becker ist nicht nur Schauspielerin, sondern auch Musikerin. Die Berlinerin stammt aus einer Künstlerfamilie mit deutschen, dänischen und polnisch-jiddischen Wurzeln. Musikalisch begibt sie sich in eigene Welten, die sich um Realitätsverschiebungen, Vergänglichkeit, die Liebe zu menschlichen Fehlern und unstillbare Sehnsüchte drehen. Im Laufe der Jahre kreierte sie ihren eigenen Klangkosmos, dem man deutlich anmerkt, dass ihre musikalische Karriere einst im Varieté und den Cabarets Berlins begann. 2014 erschien ihr viertes selbstgeschriebenes Album »Deins & Done«. Ein Album, das stilistisch dem Country und Singer-Songwriting zuzuordnen ist, wenngleich es den Meret-typischen Sound hat, sphärisch, bildhaft und mit singender Säge beweint. So trifft das Direkte auf den surrealen Moment, Country wie auf einer Eisscholle gesungen.
Zaubern für das Publikum
»Le Grand Ordinaire« ist nun eine Collage aus musikalischen Bildern und surrealen Liedern, die von Reisenden erzählen. Die Sehnsucht nach dem miteinander Weglaufen, Aufbruch, Flucht – innen wie außen, das niemals Ankommen, die Angst vor dem Fremden und Angst vor dem Fremdsein … Wiederkehrendes Thema ist ein Zirkus, eben »Le Grand Ordinaire«, der sich wie eine vage Erinnerung, seinen Weg bahnt. »Der Zauberer macht Tricks, zaubern tut das Publikum.«, sagt Meret. Was zunächst wie eine kitschige Behauptung klingt, ist eine Tatsache. Der Zauberer manipuliert Gegenstände und nutzt die menschlichen Wahrnehmungsschwächen aus. Für das Publikum aber können Dinge im Raum schweben, verschwinden, wiederkommen und vieles mehr. Der Zuschauer ist der eigentliche Zauberkünstler. Diese Fähigkeit will Meret nutzen und bringt, gemeinsam mit ihrer Band »The Tiny Teeth« musikalische Bilder auf die Bühne, vergleichbar mit einem Soundtrack zu einem inneren Film. Der besteht zum einen aus Miniaturen, die wie aus einer Spieldose oder in einer Schneekugel musiziert klingen. Im Gegensatz dazu stehen scheppernde Songs, die mit Bläsersatz, Banjo, Akkordeon, Archtop Gitarre und Schlagwerk instrumentiert sind. Sie erzählen von den Seemännern unter den Bühnenmenschen, die alle Sprachen sprechen, gern auch gleichzeitig und die mit voller Kraft auf die Klippen zu halten, aufrecht stehend, mit wirrem Haar. Und das Zelt knarzt und ächzt wie ein sinkendes Schiff, aber nicht eine einzige Ratte geht von Bord, denn es riecht -nein- stinkt nach Abenteuer. »Wenn der Zirkus in der Stadt war, dann bleibt da so ein riesiger, trauriger, heller Fleck im Rasen zurück. Mit ein wenig Sägespäne darin. Und da bleibt ein trauriger junger Mann zurück, der weint bitterlich ob der Kontorsionistin, in die er so verliebt ist und die weiterzog. Und die Kontorsionistin ihrerseits sitzt im Zug und weint bitterlich ob des jungen Mannes, in den sie so verliebt ist. Und die Tränen rinnen ihre Wangen herunter und sie schaut aus dem Fenster und der Regen prasselt an die Scheiben und die Telegrafenmasten sausen vorbei. Und sie stellt sich vor, welche Nachrichten durch die Kabel geflossen sind: Liebesnachrichten. Und auf den Kabeln sitzen kleine Schwalben, wie Noten auf Notenlinien zu Liebesliedern. Und bald verwandeln sich die riesigen Telegrafenmasten in die Masten von riesigen Segelschiffen, die davon ziehen auf dem endlosen Meer…. Und er sprach, Sie sind schön, und er sprach, Sie sind stark. Und sie sprach, ich liebe Sie, schon immer. Dann wickelte sie sich ihm um seinen kleinen Finger und sie sprachen lange Zeit nichts.«
Auszug »Le Grand Ordinaire«, Text: Meret Becker
Meret Becker: Gesang, Säge, Homophone | Ben Jeger: Glasharfe, Piano, Akkordeon | Buddy Sacher: Gitarre, Banjo, Mandoline | Peter Wilmanns: Saxophone, Klarinette, Bassklarinette | Uwe Langer: Trompete, Tuba, Posaune, Euphonium | Dirk Peter Kölsch: Schlagzeug
Veranstaltungsort: CCS, »Saal Simson«