Laudatio zur Doppelausstellung „Heimweh-Fernweh“ in Suhl und in Zella-Mehlis

von Hendrik Neukirchner (geschäftsführender Projektmanager und stellvertretender Vorstandsvorsitzender von Provinzkultur)

Liebe Künstler, liebe Gäste, liebe Beigeordnete des Suhler Oberbürgermeisters, Sylvia Luck, lieber Beigeordneter des Zella-Mehliser Bürgermeisters, Marco Bader, liebe geschäftsführende Vorständin der Kulturstiftung des Freistaates Thüringen, Frau Lipfert,

ich begrüße Sie alle zum zweiten Teil der Vernissage hier in unserer Galerie im CCS in Suhl. Nachdem ersten Teil der Ausstellungseröffnung in der Galerie im Bürgerhaus in Zella-Mehlis mit Musik und Vortrag folgt nun hier der Ausklang mit einem kurzen Redebeitrag von mir, mit ein paar Kurzinterviews mit anwesenden Künstlern und mit Fettbroten.

Ich möchte mich auch gar nicht allzulange aufhalten aber zumindest doch erläutern, warum wir diese Doppelausstellung geplant haben und durchführen. Wie Sie wissen, hat unser Verein vor einem guten Jahr aus dem Nichts heraus die Betreibung der beiden Galerien übernommen, weil die langjährigen Galeristen vorher aus Altersgründen und aus Honorargründen die Galerien nicht mehr betreut haben. Beide Galerien, da muss man kein Prophet sein, wären über kurz oder lang geschlossen worden, weil sich kein neuer Galerist gefunden hat. Wir als Verein finden die Betreibung der Galerien aber als spannende und herausfordernde Aufgabe und wir haben es uns auch irgendwie ein bisschen zum Ziel gesetzt, dass nicht noch mehr Kunst und Kultur in unserer ländlichen Provinz stirbt, als ohnehin schon in den vergangenen 30 Jahren verschwunden ist.

So betreiben wir als Verein Provinzkultur also seit Januar 2024 die Galerien in Suhl und in Zella-Mehlis. Die Idee zu der Gemeinschaftsausstellung hatten Frank Rothämel und ich vor einem Dreivierteljahr beim Spazierengehen im Wald, denn wenn man mal den Kopf freibekommt, dann ist das meist in der Natur. Leider hat man dazu viel zu wenig Zeit, oder vielleicht ist es auch gut denn wenn man noch mehr Ideen hätte, hätte man ja noch weniger Zeit zum Spazierengehen, weil man die Ideen ja irgendwie auch umsetzen möchte. Unsere Idee war es, ähnlich wie es vor Jahrzehnten auch schon möglich war und die Meininger mit ihrem Meininger Kunstsalon im Kleinen erfolgreich praktizieren, eine umfassende Kunstschau des zeitgenössischen Kunstschaffens in Südthüringen zu planen. Durch die Möglichkeit auf beide Galerien zugreifen zu können, waren dafür nun auch zwei wunderbar geeignete Räume vorhanden – nämlich für die kleineren Arbeiten das Bürgerhaus und für die größeren Werke hier die CCS-Galerie. Frank hat über 30 Jahre lang die Galerie in Zella-Mehlis geführt und kennt natürlich die Südthüringer Künstler und ich habe 2010 einen relativ umfangreichen Kunstführer durch die Thüringer Kunstlandschaft geschrieben und dabei auch einige in Südthüringen beheimatete Künstler besucht und interviewt. Wir beide wussten also um die Qualität des Südthüringer Kunstbetriebes – und man diese Qualität auch gut in beiden Ausstellungen sehen. Was man aber nicht sehen kann, und was in der heutigen Zeit aus meiner Sicht viel zu selten in die Öffentlichkeit gehoben wird, ist der Künstler an sich. Der Mensch hinter der Kunst. Ich möchte heute hier von meiner Wahrnehmung sprechen, von meinen Empfindungen und Beobachtungen, die ich in den vergangenen 30 Jahren Kulturarbeit gemacht habe. Ich habe in dieser Zeit über 6.000 Veranstaltungen organisiert und dabei wirklich viel Kontakt mit Musikern, Autoren und Künstlern gehabt und ich stelle fest, dass der Beruf des Künstlers und damit auch der Wert der Kunst im ländlichen Raum massiv an Bedeutung verliert. Auftragsvergaben im öffentlichen Bereich an Künstler finden kaum noch statt. Kunst im öffentlichen Raum verschwindet allmählich, es entsteht aber auch wenig Neues. Galerien sind geschlossen worden – Neueröffnungen gibt’s jedoch kaum zu feiern. Es gibt kaum Nachwuchskünstler, die hier leben oder sich hier ansiedeln. Als die frühere Suhler Galeristin Annette Wiedemann vor ungefähr 20 Jahren hier in der CCS-Galerie eine Gemeinschaftsausstellung Suhler und Zella-Mehliser Künstler organisiert hat, haben sich mehr als 20 Künstler daran beteiligt. Würden wir dies heute tun, würden sich vielleicht noch maximal zehn Künstler daran beteiligen, weil es einfach nicht mehr Künstler hier gibt. Eine Ausstellung mit Südthüringer Nachwuchskünstlern ist schier undenkbar, weil es – wie bereits gesagt – kaum Nachwuchskünstler gibt. Das hat viele Ursachen und hat natürlich nicht nur was mit der kaum noch vorhandenen Auftragsvergabe an Künstler durch Städte und Gemeinden zu tun. Da spielt bspw. eine Interessenverschiebung im Freizeitverhalten von jungen Menschen eine große Rolle – die digitalisierte unreale Welt verdrängt die reale Welt, schnelllebige Trends überholen gewachsene Strukturen, kurzfristige Befriedigungen am Handy und am PC ersetzen die durchaus auch mal anstrengende Auseinandersetzung mit künstlerisch umgesetzten Themen, die Menschen werden achtloser ihrer Umwelt gegenüber und ihren Mitmenschen, die Gesellschaft ist immer mehr in verschiedenste Lager gespalten, das Bildungssystem ist so ziemlich am Ende wodurch die Wissensvermittlung immer schwieriger wird und somit auch die Wertevermittlung, die Globalisierung hat nicht nur Vorteile durch unbegrenzten Handel sondern bringt auch viele Nachteile mit sich, Kriege, Krisen und eine mediale Informationsüberflutung sorgen für vielfältige Angstszenarien. In diesem Konglomerat aus unterschiedlichsten und sich rasant verändernden Einflüssen muss sich die Kunst behaupten und die Künstler müssen ihre Funktion und ihre Daseinsberechtigung in diesem globalen Karussell finden. Die Veränderung unserer Welt ist in den vergangenen 30 Jahren so schnell und so umfangreich geschehen, dass einem beim Zuschauen schwindlig werden könnte. Während in den Großstädten der Kunstmarkt künstlich aufgebläht wird und kurz vorm Explodieren ist, brennt die Kunst im ländlichen Raum nur noch auf Sparflamme.

Natürlich bieten sich in diesem Veränderungsprozess auch Chancen, denn wie Hermann Hesse sagte: Jedem Ende wohnt ein Zauber inne – Das stimmt und das ist auch klar. Aber wir alle, wir Besucher, wir Konsumenten, wir Förderer, und ihr Künstler – wir alle sollten alles dafür tun, dass auch die Kunst im ländlichen Raum auf immer und ewig Bestand und ihre Daseinsberechtigung hat, denn alle großen und positiven Veränderungen unserer Welt hatten ihren Ursprung im Wesentlichen durch kreatives Denken und Schaffen. Die Vordenker großer Umwälzungen waren zumeist auch Künstler, Schriftsteller und Philosophen, die ihren Raum zur schöpferischen Arbeit hatten und dadurch leben konnten.

In diesem Sinne ist nun auch der zweite Teil der Ausstellung: Heimweh – Fernweh: Südthüringer Künstler auf der Suche – eröffnet.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.